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hie vint man geschriben von dem kempfen

Item wie daz nun sy daz die die decretaleß kempf verbieten, So hat doch die gewonhait herbracht von kaisern und künigen fürsten und hern noch gestatten und kempfen laussen, und darzu glichen schierm gebent, und besunder und umb ettliche sachn und artikeln, alß her nach geschriben staht.

Item zu dem ersten maul daz im nymant gern sin Eer laut abschniden mit wortten ainem der sin genoß ist Er wolte Er hebat mit im kempfen wie wol er doch nit recht wol von im kem ob er wolte und darumb so ist kämpfen ain muotwill[1]

Item der sachen und ardickelen sind siben Darumb man noch pfligt zu kempfen

Item daz erst ist mortt
Daz ander verräterniß
Das dritt ketzery
Daz vierd wohher an sinem herrn trulos wirt
Daz fünfft umb fanknuß in striten oder sunsst
Daz sechst um
valsch
Daz sibent da ainer junckfrowen oder frowen benotzogt
[2]

Item spricht ain man den andern kempflich an, der sol komen für gericht und sol durch sinen fürsprechen sin sach für legen, darumb er in denn an kagt und sol den man nennen mit dem touff namen und zuo namen. So ist recht, daz er in für gericht lad und in dry stund beklag uff dryen gerichten nach ain ander. kumt er denn nit und veranttwurt sich nach nymant von sinen wegen, so mag er sich fürbaß nit mer veranttwurten,

  1. "Die Decretales", d.h. das kanonische Recht verbieten "Kämpfe" (d.h., gerichtliche Zweikämpfe). Nach "hergebrachter Gewohnheit" hingegen lässt der fränkische und schwäbische Adel Gerichtskämpfe immer noch zu, besonders im Fall eines der unten aufgelisteten Kapitalverbrechen. Der Hintergrund hier ist der chronische Zwist zwischen Römischem Recht und Germanischem Stammesrecht. Die Kirche hat sich seit dem frühen Mittelalter skeptisch zu Gerichtskämpfen geäussert, und seit dem 4. Laterankonzil (1215) war Geistlichen die Beteiligung an solchen eigentlich verboten. In Süddeutschland überdauerte der Brauch aber bis nach 1500, und Talhoffer hat als Fechtmeister natürlich ein wirtschaftliches Interesse an seinem Fortbestand. Gerichtskämpfe finden bis mindestens um 1515 statt, verlieren aber nach Einführung des Reichskammergerichts (1495) rasch an Bedeutung.

    Dazu kommt, dass sich "niemand gerne seine Ehre abschneiden lässt". Hier geht es offenbar nicht um gerichtliche Kämpfe, sondern um Duelle, zu dem ein Mann den anderen "mutwillig", d.h. ohne dass ein Verbrechen vorläge, herausfordert.

  2. Die sieben Kapitalverbrechen, um deretwillen "insbesondere" gerichtliche Kämpfe abgehalten werden (sofern keine Zeugen beigebracht werden und kein Geständnis vorliegt) sind also: 1. Mord, 2. Verrat, 3. Ketzerei, 4. Treulosigkeit, 4. fanknuß "Gefängnis", 6. Falschheit (Betrug), 7. Notzucht (Vergewaltigung). Das Delikt fanknuß "Gefangennahme", und zwar "in Streiten (d.h., im Krieg) oder auch sonst" bleibt dabei unklar, vielleicht ist so etwas wie "Freiheitsberaubung" gemeint und mag sich auf Fehden innerhalb des Adelsstandes. Man wird bemerken, dass nicht alle diese Delikte so schwer wiegen, dass darauf Todesstrafe stünde, etwa Betrug oder Vergewaltigung dürfte in der Regel mit einer Geldbusse geahndet worden sein. Die Liste scheint mehr oder weniger nach abnehmender Schwere geordnet, so dass 5. fanknuß zusammen mit 4. "Treulosigkeit" Verstösse gegen die feudale Ordnung darstellen könnten, die schwerer wiegen als gewöhnlicher Betrug, aber doch leichter als Mord oder Ketzerei.